Sind wir nicht alle ein wenig crazy?

Die Donzdorfer Prunksitzungen begeistern erneut

Vier Abende, knapp 2500 Zuschauer und nicht erfüllbare Anfragen für einen weiteren Abend. Die Donzdorfer Prunksitzungen waren auch in diesem Jahr wieder ein Publikumsmagnet. Geschuldet ist dies einem erneut herausragenden Niveau von durchgehend eigenen Akteuren.

Als alle Akteure zum Finale das bekannte Sassa anstimmten, stand das Publikum bereits begeistert und konnte auf gut fünf Stunden hervorragendes Programm zurückschauen. Ein Programm, das Harald Müller vom SWR - der nach jahrelangem Werben endlich einmal zu Besuch war - am liebsten fast komplett für die Fernsehsitzungen verpflichten wollte.

Umso bemerkenswerter ist diese Tatsache, dass es sich bei den Donzdorfer Bühnendarsteller und -darstellerinnen ausschließlich um eigene Amateure handelt, die ihre Ideen hochprofessionell und auf höchstem Niveau umsetzen.

Hauser in der Bütt herausragend

Sucht man in anderen Städten zum Teil händeringend nach auswärtigen Büttenrednern,  so scheint es in Donzdorf fast ein Überfluss geben. Denn auch in diesem Jahr präsentierten sich die Donzdorfer Büttenauftritte mit einem breiten Querschnitt auf höchstem TV-Niveau.

An den ersten beiden Abenden bewies Bürgermeister Martin Stölzle erneut, dass an ihm ein Büttenredner verloren gegangen ist. Kurzweilig offerierte er rhetorisch fehlerfrei seine Visionen "für Donzdorf habe ich einen Traum!".

Traumhaft gut war das politische Duell von Thomas Funk und Eduard Gromer, denen man   ihre Theaterbegeisterung und -erfahrung förmlich anmerkte. In ihrer feinen Polit-Satire alias "Groko" und "Deal" verhandelten sie stil- und pointensicher als SPD- und CDU-Unterhändler über die Große Koalition.

Michi Armellini überzeugte in diesem Jahr nicht als "Alt Zigeunerfrau", sondern schlüpfte gekonnt in die Rolle einer Friseurin und sinnierte gekonnt und witzreich über Magerwahn und Modetrends.

Herausragend aus einem durchgehend starken Programm war  in diesem Jahr sicherlich die Bütt von Kai Hauser. Als leidgeprüfter Lehrer startete er mit einer Pointe nach der anderen über die schlägernde, faule und dem sozialen Netz verfallene Jugend, ehe er als jugendlicher "Babo vom Ghetto" den Komposties und MOFS (Menschen ohne Freunde) im Publikum die neue Jugendsprache mit einem Zwerchfell-Angriff näher brachte. Doch als er dann urplötzlich mit eindringlichen, lauten und doch irgendwie leisen, sozial-kritischen Tönen das Publikum indirekt diesem Jugendversagen anprangerte, war die Überraschung perfekt. Hauser erntete für diesen Vortrag zurecht Standing Ovations.

Den Abschluss machte wie immer Roland Hölldampf alias "Ignatz Dipfele", der mit seiner ureigenen Bühnenart das Publikum wieder zu begeistern wusste. Es deutete sich jedoch - nicht nur durch seine eingebaute Bild-Zeitungsmeldung ("Fasnets-Aus für Eddy und Dupf") - an: Der Auftritt im Jahr 2014 könnte die letzte Bühnenshow von "Dupf" gewesen sein. In Donzdorf wird man sich vermutlich daran gewöhnen müssen, in Zukunft ohne die über Jahrzehnte hinweg herausragende Persönlichkeit der Donzdorfer Fasnet auf der Bühne auszukommen zu müssen.

Tänzerische Eigenkreationen

Auch tänzerisch ist der Kulturring Donzdorf nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Den Start machten wie immer mit dem "Ballettle" die Kleinsten, ehe ihre großen Vorbilder des "Kulturring Ballets" in ihrem diesjährigen Gardetanz wieder eine gute Figur machten.

Dass man sich in Donzdorf auch im Showtanz keine Sorge um den Nachwuchs machen muss, bewies "In Between". Die Gruppe zeigte wunderbar die tänzerische Verwandlung von braven Mädchen in Punk-Rocker.

Farbenfroh und tanzsicher avancierte das Kulturring Ballett zum Geschichtenerzähler. In ihrem Showtanz interpretierten sie das Märchen von Dornröschen auf der Tanzbühne neu. Mit dem Schlusslied "Schenk mir dein Herz" trafen die jungen Frauen das Publikum mitten ins Herz und wurden zu recht mit Zugaben bedacht.

Und so ganz nebenbei schlich sich eine neue Tanzgruppe auf die Bühne. Die Kulissenschieber wussten als "Backstage Boyz" nicht nur als fleißige Helfer, sondern auch als tanzbeinschwingende Adonisse zu begeistern.

Gesang, Klamauk und mehr

Kurzweilig wurde es wie immer bei den Zwillingen, die in diesem Jahr zum ersten Mal gekonnt von Jürgen Nitsche und Matthias Riegert dargeboten wurden. "Weißt du warum, weißt du warum" hinterfragten sie so einiges Kurioses aus und um Donzdorf, wussten letztendlich aber keine Antwort darauf: "Oh nein, oh nein, dafür sind wir zu dumm."

Seine Berufung als "Zwerg vom Berg" hat Helmut Gärtner inzwischen wohl gefunden. Zum zweiten Mal sang und witzelte er sich zwergisch gekonnt durch seinen Auftritt und brachte mit seinem Outing "Ich bin der schönste Zwerg der Welt" und dem damit verbundenen Schlusslied das Publikum auf seine Seite.

In einen Saloon entführte das Publikum in bester Western-Manier die Jungs der "Stehkräga". Gekonnt sangen diese über politische Themen, lieferten sich eine musikalische Schlägerei oder erklärten gesanglich als Elektro-Pferde Stölzles Visionen einer Basis-Infrastruktur. Neben dem einen oder anderen Tequila versprühte die Gesangstruppe erneut viel Witz, Musik und Gesang auf einem ganz hohen Niveau.

Die Finalnummer war dieses Jahr wieder für "Querbeet" reserviert. Die Vollblutmusiker entführten die Zuschauer zusammen mit ihrem Comedian Dupf auf den Donzdorfer "Flughafen". Und auch in diesem Jahr begeisterten die Jungs mit ihrer musikalischen Vielfalt und der unglaublichen Qualität auf nicht zu erwartenden Instrumenten zu beindrucken. Ein Highlight war dabei sicherlich das Alphorn-Duett, das sich von klassischen Bergklängen zu einer echten Rocknummer entwickelte.

Hervorzuheben an den vier Abenden waren aber sicherlich die Crazy Women. Denn zu ihrem 30. Bühnenjubiläum gaben sie zeitgleich ihren Abschied von der aktiven Fasnetsbühne bekannt. Zu ihrem letzten Auftritt entrümpelten sie noch einmal den Keller und boten die gewohnt starke Mischung aus Gesang, Tanz und Klamauk. Am Ende präsentierten die Frauen noch einmal einen tänzerischen Rückblick auf viele tolle Kostüme und verabschiedeten sich als Überraschung mit nahezu allen Crazys der vergangenen Jahrzehnte. Insgesamt 15 Frauen (und ein Mann) tanzten und sangen sich mit dem Toten Hosen Cover "Das ist unser Lied" zu einem emotionalen Finale. Als der Schlussakkord zur Liedzeile "...das war sie nun, die Crazy Women Show" erklang hatte sich der Saal bereits komplett erhoben und verabschiedete die Crazys mit minutenlangen Standing Ovations.

Das waren die Prunksitzungen 2014

Da konnte auch Prinz Michi I. mit seine Gefolge nur anerkennend applaudieren. Er wusste, dass an diesen vier Abenden Andere den Vorrang hatten. Seine "Nebenrolle" absolvierte der sympathische Fußballer aber perfekt und führte sich und sein Gefolge damit erfolgreich in die Narrenherzen ein.
Und auch die "Feuerseejäger" trugen mit  Fanfaren und Trommeln ihren Teil zu den erfolgreichen Abenden bei. Ebenso wie die Sitzungskapelle "Big Band" mit ihrem neuen Leiter Thomas Rink, die das Programm und den anschließenden Tanz musikalisch hervorragend begleiteten.

So bliebt es zum zweiten Mal, dem in der Rolle des Sitzungspräsidenten Giga sich sichtlich wohl fühlenden Joachim Geiger mit dem Finale ein erneut unglaubliches Programm zu schließen. Und die anschließende Nacht auf dem Tanzparkett oder der Bar endete für nicht wenige erst nach dem Sonnenaufgang. Und so durften sich nicht nur die "verrückten Weiber" nach den Prunksitzungen 2014 gefragt haben: Sind wir nicht alle ein wenig crazy?


Bilder von Peet Harich

Alle Bilder der Prunksitzungen gibt es wie unter photopeet.fotograf.de