Extraklasse aus dem Fasnetsdorf

Die Donzdorfer Prunksitzungen mit einer herausragenden Überraschung

Mit dem letzten Samstag ging auch die letzte der vier Prunksitzungen erfolgreich über die Bühne. Die über 100 Donzdorfer Mitwirkende boten den knapp 2.500 Besuchern eine fast schon göttliche Narrenshow. Dabei vertragen sich die vier Abende nicht wirklich mit der Kirche. Am Samstagabend umgehen die Narren die Vorabendmesse auf dem Hinweg zur Stadthalle, die Uhrzeit der Eucharistiefeier am anderen Morgen dürfte für die meisten in die Kategorie „unchristliche“ Zeit fallen. Im Vergleich Fasnet zu Kirche daher ein klares Fazit: Vorteil Fasnet!

Dabei dürfte die Kirche kaum Einwände gegen die Donzdorfer Bühnenshow haben. Denn diese reiht sich weit ab von reinem, niveaulosen Klamauk in das allgemeine Fasnetstreiben ein. Was die Akteure Jahr für Jahr auf die Bühne zaubern würdigt höchsten Respekt ab. So zeichnete sich die – dieses Jahr positiv auffallend – leicht verkürzte Narrenshow neben dem dazugehörigen Klamauk vor allem wieder durch ein hohes Niveau, hintersinnige Inhalte und nachdenkliche und mahnende Worte in Richtung kleiner und großer Politik aus. Nicht alles was von der Donzdorfer Fasnetsbühne kommt, wird den Zuschauern als leichte Kost dargeboten. Und gerade darauf ist man im Fasnetsdorf Klein-Paris so stolz.

Ein Spezialist der schweren Fasnetskost ist Thomas Funk, der mit seiner politischen Bütt voll ins Schwarze traf und die Zuschauer am ersten Samstag zu stehenden Ovationen begeisterte. Theaterreif brachte er mit amerikanischem Dialekt die Weltpolitik auf den Punkt und pointierte mit anspruchsvollen Versen den US-Wahlkampf, die Europapolitik, die Flüchtlingskrise, Terror und die rechte Gefährderbrut, sowie die deutsche Politszene.

Eine ähnliche Stilrichtung bot Kai Hauser als Reiner Kehrer, der als badischer Müllmann zuerst kurzweilig-witzig in seiner ureigenen Bühnensprache den Saal zum Toben brachte, dann aber im zweiten Teil unsere Konsumgesellschaft und das transatlantische Freihandelsabkommen rhetorisch gekonnt hinterfragte. Den Saal von himmelhoch lachend innerhalb von Sekunden in eine nachdenkliche Stille zu bringen, das brachte auch dem Schulmeister stehende Ovationen ein.

Kombiniert wurde diese teilweise anspruchsvolle Kost mit kurzweiligen Beiträgen, wie die des geplagten Ehemanns Ferdy Kehrer, der als Depp vom Dienst Szenen aus der alltäglichen Ehe gekonnt aufs Korn nahm. Oder mit Michael Müller und Thomas Rink, die in der Figur der Eduard und Kunigunde skurrile Begebenheiten aus Klein-Paris auf die Schnippe nahmen. Traditionell hinterfragten Jürgen Nitsche und Matthias Riegert alias Prinz Matze III. als dumme Zwillinge mit „Weißt du warum?“ so manch Örtlich-Kurioses.

Auch tänzerisch weiß man in Donzdorf zu unterhalten. Angefangen vom Ballettle mit Ihrem Gardetanz zum Auftakt, über die Nachwuchsgruppe In Between – die in ihrem Showtanz monstermäßig überzeugen konnten – bis zum großen Kulturring Ballett. Ihr feiner Gardetanz wurde am Ende mit einem tollen Boxtanzkampf zur Musical-Musik von Rocky gekrönt.

Nach Wort und Tanz ist die Musik der dritte große Pfeiler der Donzdorfer Prunksitzungen. Und hier brachte Helmut Hazi Gärtner in seiner Paraderolle als Zwerg vom Berg die Halle zum Beben und mit seinem Schlusslied einer Hulapalu-Version zum stehend Feiern. Absolut überzeugen konnte in diesem Jahr die Musik- und Klamauktruppe „Stehkräga“, die auf dem Campingplatz für viele Lacher sorgte und das Publikum mit fantastischen Ohrwürmern mitreißen konnte. Blieben noch die Vollblutmusiker von Querbeet, die zum Finale noch einmal ihre Qualitäten auf die Bühne brachten und auf dem Schrottplatz neben ein paar „schrottigen Liedern“ ansonsten nur besten musikalischen Edelstahl produzierten.

Umrahmt wurde eine Bühnenshow, die landesweit seines Gleichen suchen dürfte, von den Trompetern der Magic Trumpets und der herausragenden Sitzungskapelle Big Band. Zum Finale feierten die Zuschauer zusammen mit Prinz Matze III. mit Gefolge zu Recht ausgelassen die Akteure und waren sich unisono einig: Das waren wieder einmal herausragende Donzdorfer Prunksitzungen!

Sagten wir waren? Fast waren sie das. Denn es fehlte noch ein Akteur, der eine herausragende Veranstaltung zu etwas Himmlischen machte: Pfarrer Carsten Wagner. Donzdorfs Kirchenoberhaupt katapultierte sich an nur vier Abenden zur Fasnetsüberraschung des Jahres. Was er in seiner Bütt-Premiere auf der Bühne ablieferte, ist durch Worte schwer zu beschreiben. Am besten wurde der Auftritt durch die durchgängigen Lachsalven und der von Standing Ovations begleiteten Jubelstürmen beschrieben. Mit einer mitreißend natürlichen und offenen Art pointierte er den Tagesablauf eines Pfarrers und sparte auch an einem guten Maß Selbstironie nicht ein. Ein Pfarrer der ein Glücksfall für die Donzdorfer Fasnet, ein Segen für die Stadt Donzdorf und eine Wohltat für die katholische Kirche ist.

Ein noch größerer Applaus wäre dabei für Pfarrer Carsten Wagner die Einlösung der Ankündigung der meisten Teilnehmer und auch Zuschauer: „Man sollte wirklich mal wieder öfters in die Kirche gehen!“.

Dann hätte sich das zur Einführung gestellte Fazit endgültig umgekehrt: Aus Vorteil Fasnet wird Vorteil Kirche! Satz, Sieg und Amen!



Impressionen der 57. Donzdorfer Prunksitzungen


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